Odierung
Wie riecht ihr regionales Gas?
Text: Andrea Schneider | Foto (Header): © Ingo Bartussek – stock.adobe.com
Brenngas wird aus Sicherheitsgründen mit speziellen Duftstoffen versehen, damit auch Laien bei Gefahr gewarnt werden. Unsere Redakteurin Andrea Schneider machte sich aus persönlichen Gründen auf die Suche nach der geheimnisvollen Odorkarte und fand sich im Irrsinn von Nicht-Zuständigkeiten wieder.
Auszug aus:
DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe Februar 2025
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INHALTE DES BEITRAGS
Ich bin Mieterin einer hübschen Altbauwohnung in Augsburg, die nur mit einem Wermutstropfen zu ärgern weiß: Sie verfügt über eine uralte Gastherme. Ein zickiges Gerät, Erstzulassung 1993, mit dem optischen Charme einer Überputzelektrifizierung, das regelmäßig ausfällt und auch sonst keinen vertrauenserweckenden Eindruck macht. Sie kostet uns viele Nerven und dem Vermieter ständige Wartungsnotfälle, aber man arrangiert sich, Umzüge bringen wenig Spaß und kosten Nerven.
Odor: Chemisch vs. faulig
Auffallend unspaßig war im letzten Hochsommer allerdings der Geruch dieser alten Lady. Ein stechender, beißender Geruch. Einer, der Kopfschmerzen bereitet, der einen zum sofortigen Verlassen des Raumes auffordert, der Fenster aufreißen und die Badtür am liebsten versiegeln lässt. Einer, bei dem ein tiefer Überlebensmechanismus den Hauptgashahn im Haus suchen möchte, damit einem das ganze schöne Altbaumonstrum nicht um die Ohren fliegen kann.
Laut Murphys Gesetz passieren solche Dinge immer Freitagnachmittag oder an Feiertagen. Wie schön, dass mich die Dame von der Sanitär-Notfallnummer dennoch zurückrief, auch wenn sie von meiner sorgenvollen Einschätzung eher unbeeindruckt wirkte. „So, so, Gasaustritt also. Meinen Sie. Na, wie riecht denn das Gas?“, lautete ihre spitze Frage, bevor sie mir – nach meiner sachlichen Beschreibung des stechenden Geruchs – ihr breit schwäbisches Kontra entgegenschleuderte. „Nach gar nichts würde Gas riechen! Ob ich das nicht wüsste? Was man vielleicht riechen könnte, wenn es denn Gas wäre, dann wäre das der Odooor und der wäre faulig stinkend, garantiert nicht stechend. Also einfach mal entspannen, wenn es unbedingt sein müsse, würde am Montag jemand zur Kontrolle kommen.“
Ich war, nun ja, perplex. Ich hatte etwas gerochen, das mein Gehirn sofort mit Gas in Verbindung brachte. Was immer „Odooor“ auch sein mochte, hier roch es vernichtend chemisch, nicht nach faulen Eiern und nachdem ich die Therme abgeschaltet und deren Gashahn zugedreht hatte, roch es nach langem Lüften glücklicherweise gar nicht mehr.
Am Wochenende gab es dann ein sehr stürmisches Sommergewitter und nach diesem konnte auch der Wartungsfachmann am Montag nichts mehr feststellen. Aber zumindest bestätigte er gelangweilt meine Vermutung, dass eine Verstopfung des Abzugs möglich wäre, die sich durch den Sturm gelöst und damit das Problem behoben haben könnte. Aber: Gas rieche eben anders als meine Beschreibung, „Odooor“ und so, Sie wissen schon. „Und wenn Sie sich mit einem Warngerät besser fühlen, dann hängen Sie sich halt einen Kohlenmonoxidmelder an die Wand.“
Nun, ich bin weder zartbesaitet, noch leicht zu verängstigen. Aber auf meine Sinne kann ich mich recht gut verlassen, und genau deshalb war jetzt auch mein journalistisches Interesse geweckt. Wenn vermeintlich alle wissen, wie Gas riecht, obwohl es eigentlich geruchlos ist, und „mein Gas“ anders roch, als es wohl riechen sollte, dann würde ich mich jetzt der Wahrheit entgegenschnuppern. Wir leben schließlich in DIN-Deutschland, für jede noch so kleine Unsinnigkeit existiert eine Regelung, da kann die Einschätzung von wirklich gefährlichen, möglichen Gas-Lecks keine Ausnahme bilden. Mehr als zwei banale Anrufe konnte diese Recherche wohl kaum in Anspruch nehmen.
Die geheimnisvolle Odorkarte
Damit sollte ich mich allerdings irren. sie benötigte unzählige Anrufe, Mails und Anfragen, die mich direkt in eine „Buchbinder-Wanninger-Zeitschleife“ warfen. Laut dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfachs (DVGW) war schnell klar: „Gase, die an Haushaltskunden geliefert werden, müssen ausreichend odoriert – also mit speziellen Duftstoffen versetzt – sein. Dies gilt auch für Gewerbekunden, die mit Haushaltskunden sicherheitstechnisch vergleichbar sind. Die Technik und die Kontrolle der Odorierung sind im DVGW-Arbeitsblatt G 280 geregelt.“ Und weiter: „Bei für Haushaltskunden bestimmtem Erdgas wird die Odorierung bereits in Gasverteilnetzen durchgeführt. Hierzu werden in Deutschland meist organische Schwefelverbindungen gewählt. Der Geruchsstoff muss hierbei bestimmten, strengen Anforderungen entsprechen und muss auch in niedriger Konzentration noch gut wahrnehmbar sein. Er muss alarmierend wirken und darf dem Menschen nicht aus dem Alltag bekannt sein. Die gebräuchlichsten Odoriermittel sind schwefelhaltige organische Verbindungen wie Tetrahydrothiophen oder Merkaptangemische. Um auch bei gastechnischen Laien einen Warneffekt zu erzielen, müssen diese abstoßend riechen. Ein ekelerregender Geruch sollte jedoch vermieden werden. Vor allem aus ökologischen Gründen geht der Trend in den letzten Jahren zu schwefelarmen Odoriermitteln.“
Okay, ein neuer Trend also in schwefelarm und unterschiedlichen Odor-Varianten. Hier konnte das Geheimnis lauern, wenn die einen von faulen Eiern, meine Nase allerdings von stechener Chemie erzählen. Doch wie riecht das Augsburger Gas 2024 nun wirklich und wie ist es mit regionalen Unterschieden? Dem DVGW ist praktischerweise ein Onlineshop angeschlossen, über den man Odor-Testkarten ab 100 bis zu mehreren 10.000 Exemplaren bestellen kann. Was den Eindruck nahelegt, dass Energieanbieter diese Karten für ihre Endkunden, also die „gastechnischen Laien“, in großer Menge einkaufen, um sie dann öffentlich zugänglich zu machen. Das klingt logisch, das ist das Prinzip, für das diese Karten massenhaft auf Halde liegen, was läge näher, als bei ein, zwei Energieanbietern freundlich nachzufragen und um eine solche Schnupperprobe zu bitten? Denn die DVGW antwortete auf Nachfrage nachvollziehbar: „Leider können wir aus geruchs- und verpackungstechnischen Gründen die Bündelungen der Odor-Karten nicht öffnen. Eine Einzelversendung ist nicht möglich.“
Nun, herzlich willkommen in der Informationsschleife: „Sehr geehrte Frau Schneider, zu dem Thema Odorkarten müsste ich Sie leider auch an meine Kollegin Fenja Severing weiterleiten, die in unserem Haus für das Thema Gasbeschaffenheit und Odorierung zuständig ist. Nach meinem Kenntnisstand sind die Odorkarten dazu bestimmt, über den jeweiligen Netzbetreiber an seine Kunden weitergegeben zu werden. Warum die Stadtwerke München sie an den DVGW zurückverweist, kann ich nicht nachvollziehen.“
Und auch Frau Severing antwortete sehr freundlich: „Bezüglich der Odorkarten hatten Sie bereits ausführlichen Austausch mit meiner Kollegin Frau Rosen. Die Aussage, dass die Odorkarten über den jeweiligen Netzbetreiber als Geruchprobe für die Kunden gedacht sind, kann ich nur noch einmal bestätigen und Sie ermutigen, dort nachzuhaken.“
Durch Frau Severing ermutigt, schickte ich schließlich unzählige Mails an unterschiedliche Gasnetzanbieter Deutschlands. Vom hohen Norden bis ins tiefste Bayern, von den regionalen Stadtwerken, bis zu Yello und Co. wurde ich aufdringlich. Aber, Sie ahnen es schon, die Antworten lauteten einhellig: „Ich bedauere es sehr, wir führen diese Odorkarten bereits seit vielen Jahren nicht mehr. Möglicherweise wäre der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) eine passende Anlaufstelle?“
Meine letzte Chance lag im Kontakt zu den Rettern, Bergern und Helfern. Mein Kollege der Zeitschrift „Die Feuerwehr“ musste mit persönlichen Erfahrungen passen, empfahl mich aber an die Feuerwehrschulen oder die Feuerwehrerlebniswelt Augsburg weiter. Guter Tipp! Wo, wenn nicht bei der Erlebniswelt, sollten interessierte Bürgerinnen und Bürger wohl mal eine Nase Gasgeruch nehmen dürfen? Aber weit gefehlt, fündig wurde ich ausschließlich bei Herrn Holler von der Staatlichen Feuerwehrschule in Geretsried, der mir netterweise persönlich eine solche Karte aus seinem Handvorrat zusendete und in der Mail vorab schrieb: „[…] die schwefelfreie Odorierung (in Bayern von Erdgas Schwaben verwendet) riecht nach Ponal Holzleim. Wir verwenden die Karten für die Feuerwehrausbildung, in speziellen Lehrgängen, wo der Umgang mit Erdgas geschult wird.“
Und in diesem – beiläufigen, fast überlesbaren Satz – steckte schließlich die Antwort auf meine Ursprungsfrage! Nein, liebe Sanitärprofis, das Gas in Bayrisch Schwaben riecht nicht nach faulen Eiern, sondern stechend chemisch nach Ponal Holzleim! Odor und so, Sie wissen schon!
Herr Holler ist und bleibt mein persönlicher Held des kurzen, freundlichen Dienstwegs. Insbesondere, weil mich seine Odorkarte leider nie erreichte. Beim FORUM VERLAG verlor sich ihre Spur,
direkt nach der Aufnahme ins Posteingangsbuch. Vermutlich ärgert sich auch jemand aus dem Kollegenkreis mit einer zickigen, alten Gastherme herum und hütet die Testbroschüre wie einen Topf aus Gold. Verdenken könnte ich es niemandem.
Aber hier kommt natürlich noch ein funktionaler Recherche-Tipp für alle, die eine solche einzelne verflixte Odorkarte – vielleicht auch im Sinne der Sicherheit ihrer Mieter – mal in Händen halten wollen: Es gibt sie. Schlendern Sie einfach mal bei den Stadtwerken Tecklenburger Land in 49477 Ibbenbüren vorbei. Dort können Sie im Servicezentrum eine Odorkarte mitnehmen. Ob Sie Ihnen außerhalb von Ibbenbüren allerdings weiterhilft? Man weiß es nicht genau. Für den Moment muss genügen: Gas riecht nicht. Aber eigentlich doch, denn Gasaustritt ist gefährlich und deshalb sollte der Odor Sie warnen können. Welcher wo genutzt wird, da können und wollen wir uns nicht so genau festlegen. Sie werden ihn schon erkennen, ansonsten einfach mal den Ball flachhalten. Wenn es unbedingt sein muss, kommt Montag jemand zur Kontrolle vorbei.
Sicherheitshinweise bei anhaltendem Gasgeruch!
- Gashahn schließen
- Elektrische Geräte abstellen
- Kein offenes Feuer, keine Zigaretten, Feuerzeuge etc.
- Funkenbildung vermeiden
- Abschalten der Klingelanlage, Licht- und Geräteschalter meiden, Keine Telefon- oder Handynutzung
- Fenster öffnen, ausreichend lüften, für Durchzug sorgen
- Personen warnen und in Sicherheit bringen
- Nach Verlassen des Hauses die Feuerwehr rufen
Die Autorin
Andrea Schneider ist Redakteurin und Produktmanagerin beim FORUM VERLAG HERKERT. Sie verantwortet alle Hausmeister-Themen: vom regelmäßigen Erscheinen dieser Fachzeitschrift bis zur Planung und Umsetzung unserer Produkte und Weiterbildungen.