Amok-Plan

Dem möglichen Albtraum professionell begegnen

Text: Uwe Czier | Foto (Header): © © Corri Seizinger – stock.adobe.com

Schulhausmeistern kommt bei Amok-Situationen bereits in der Frühwarnfunktion besondere Bedeutung zu. Aber auch im Ernstfall gilt: Niemand ist mit dem Gebäude besser vertraut, weshalb er die Einsatzleitung mit wertvollen Hinweisen unterstützen sollte, ohne im Alleingang den Helden zu spielen.

Auszug aus:

DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe November 2023
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Nach den bitteren Erfahrungen von Erfurt und Winnenden muss grundsätzlich jede Schule einen Amokplan erstellen und diesen regelmäßig an Veränderungen anpassen. Eine Amok-Lage liegt bereits dann vor, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich ein Täter unberechtigt auf dem Schulgelände mit dem Ziel aufhält, eine Gewalttat zu begehen. Anhaltspunkte können dabei nicht nur Anschlagsdrohungen sein, sondern auch Personen mit verdächtigen Gegenständen oder auffällig aggressivem Verhalten, die sich offensichtlich in einer psychischen Ausnahmesituation befinden. Aber auch Erkenntnisse über eine erhöhte Gewaltbereitschaft oder dass eine flüchtige Person bereits an anderer Stelle Anschläge begangen hat, lösen bereits eine Amok-Gefahrenlage aus.

Erstes Ziel der Sicherheitsplanungen ist es, das Gelände bereits zu räumen, bevor ein Täter darauf vordringen kann. Ist dies nicht mehr möglich, sollen sich alle Personen in ihren Klassen- und sonstigen Räumen verschanzen, bis die Lage durch die Polizei geklärt oder bereinigt ist. Entsprechend unauffällige Durchsagen oder andere Signale, die alle Beschäftigten (einschließlich Aushilfen oder Vertretungen) kennen müssen, werden zentral von der Schulleitung vorgenommen oder ausgelöst. Empfohlen wird von den Landespolizeien hierfür ein Signalton, der sich stark von einer Brandmeldung unterscheidet, schließlich soll unbedingt vermieden werden, dass Lehrer und Schüler ihre Klassenräume nach Ertönen verlassen und einem Amok-Täter direkt in die Arme laufen. Der Hausmeister spielt in solchen Lagen eine wichtige Rolle, wobei es zunächst von zentraler Bedeutung ist, dass er einige einfache Regeln beachtet:

  • Ruhe bewahren
  • Eigenschutz aufrechterhalten
  • Keine Heldentaten und Suchaktionen
  • Auffälligkeiten melden
  • Auf die Einsatzkräfte warten

Die Stärken des Hausmeisters sind seine Ortskenntnisse und seine Wahrnehmung von kurzfristigen Veränderungen. Außerdem ist er auch außerhalb der eigentlichen Unterrichtszeiten anwesend und kann deshalb auch Gefahren entdecken, die zu diesen Zeiten entstehen.

Grundsätzlich ist für jede Schule ein Sicherheitskonzept zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Vorgaben dazu machen die Kultusministerien der Länder, in der Regel auf der Basis von Vorschlägen und Anregungen der Landespolizei.

Frühwarnfunktion

Zur Vorbeugung gehört es, defekte Schlösser oder Fensterriegel so rasch wie möglich auszutauschen sowie kaputte Fenster zu ersetzen. Der Hausmeister hat dabei eine Frühwarnfunktion, weil ihm oft bei Kontrollgängen entsprechende Defekte auffallen. Es sollte geregelt sein, dass der Hausmeister in derartigen Fällen für die Ersatzbeschaffung bzw., soweit notwendig, für die Beauftragung des Handwerkers oder Bauhofs zuständig ist. Dies gilt auch für den zeitnahen Austausch von ausgefallenen Beleuchtungseinrichtungen, die der Hausmeister nicht selbst austauschen kann. Auch die Begleitung von angemeldeten schulfremden Personen, insbesondere von Handwerkern, auf dem Schulgelände ist eine Möglichkeit, die Kontrolle über Besucher zu erhalten.

Kommunikationsliste

Der Kern der Planung ist zunächst eine Kommunikationsliste: Wer ist wie zu erreichen? Eine der relevantesten Personen, neben der Schulleitung, ist dabei der Hausmeister. Insoweit ist es auch wichtig, seine Vertretung in die Kommunikationsliste aufzunehmen. Auf diese Liste muss die Polizei für den Alarmfall unmittelbar Zugriff haben, damit sie die wichtigsten Ansprechpartner direkt erreichen und die aktuelle Lage oder auch Besonderheiten der Anlage erfragen kann. Auf diesen Informationen baut die gesamte weitere Einsatzplanung auf, weshalb der Hausmeister mit seinen Kenntnissen unverzichtbar ist.

Amok-Verdacht

Im Fall eines Amok-Verdachts oder gar eines bestätigten Vorfalls wächst der Hausmeister in die Rolle einer der wichtigsten Ansprechpartner der Polizei. Zunächst kommt es darauf an, dass ein Hausmeister bei Auffälligkeiten nicht versucht, diese selbst zu klären, sondern bereits niedrigschwellig die Polizei hinzuzieht, vereinbarungsgemäß vielleicht erst nach kurzer Rücksprache mit der Schulleitung. Dies gilt beispielsweise dann, wenn Schüler, die der Schule verwiesen wurden, versuchen, auf das Gelände zu kommen, oder wenn sich eine Person konspirativ verhält, also versucht, unentdeckt zu bleiben. Auch eingeschlagene Fenster oder Aufbruchspuren an Eingängen sollten der Polizei unmittelbar gemeldet werden, ohne dass bereits feststeht, ob es sich „nur“ um einen Einbruch oder um das verbotene Eindringen ins Schulgebäude handelt. Angaben für die Polizei müssen immer die vier wichtigen W-Fragen beantworten: Wer meldet was, wo und wann. Eine genaue Schilderung des Sachverhalts erleichtert dem aufnehmenden Beamten die Einschätzung der Lage.

Tatsächliche Einsatzlage

Im Ernstfall sollte der Hausmeister die amokverdächtigte(n) Person(en) aber keinesfalls selbst ansprechen, auch wenn sie ihm bekannt sind. Da sich Amok-Täter in der Regel in einer psychischen Ausnahmesituation befinden, sind sie unberechenbar und stellen selbst für diejenigen Personen eine Gefahr dar, mit denen sie bisher gut ausgekommen sind. Stattdessen sollte der Hausmeister sich, ggf. in Absprache mit der Schulleitung, der Polizei als Ansprechpartner zur Verfügung stellen, selbst wenn er im konkreten Fall keine Beobachtungen gemacht hat. Seine Ortskenntnisse sind für die Planung des Einsatzes wertvoll, weil er am besten über das Gelände und seine Einrichtungen Bescheid weiß. Er kann den Beamten Hinweise über mögliche Wege und Hindernisse geben, sie aber auch über technische Anschlüsse und deren Lage informieren. Auch wenn der Hausmeister bei der ersten Lageplanung unter Umständen nicht benötigt wird, sollte er doch dafür sorgen, dass er während des Einsatzes stets erreichbar für mögliche Fragen ist. Auch im Hinblick auf eventuelle Sammelplätze bei einer Evakuierung kann er behilflich sein, weil er die Flucht- und Rettungswegeplanung der Schule genau kennt. Bis zum Abschluss des Einsatzes gilt dabei die Regel: Erreichbar sein, aber nur auf konkretes Anfragen tätig werden. Ansonsten gilt für den Hausmeister das Gleiche wie für alle Beteiligten: Nervenzehrendes Warten.

EINBAU VON ANTI-AMOKZYLINDERN
Viele Schulen entscheiden sich auch für den Einbau von speziellen Knaufzylindern an den Klassentüren. Die Schließfunktion erfolgt hier – wie üblich – mit dem Schlüssel von außen. Von innen aber kann der Zylinder über den Knauf abgeschlossen und geöffnet werden. Somit ist es Lehrern und Schülern bei drohender Gefahr möglich, sich in den Klassenraum zurückziehen und die Tür schnell und ohne Schlüssel hinter sich zu verschließen. Durch das Einstecken eines Berechtigungsschlüssels von außen kann die Knauffunktion jederzeit komplett aufgehoben werden, was Missbrauch vorbeugt.

Der Autor

Uwe Czier ist bei der Stadtverwaltung Stuttgart in unterschiedlichen Funktionen in den Bereichen Öffentliche Sicherheit, Straßenrecht und allgemeine Verwaltung tätig. Er arbeitet nebenberuflich in der Erwachsenenbildung und im Bereich Journalismus.

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