Aus der Praxis
Streumittel – Physik, die begeistert: Einsatz von Sole und Ameisensäure
Text: Cornelia Wilhelm | Foto (Header): © HILLTIP
Sie denken beim Streuen vor allem an Salz, Splitt, Granulat und Sand? Dann ist es gegebenenfalls an der Zeit, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen. Vor allem Sole und Ameisensäure spielen für viele Hausmeister eine immer wichtigere Rolle. Kein Wunder, sie bieten zahlreiche Vorteile.
Auszug aus:
DER HAUSMEISTER
Praxis – Technik – Sicherheit – Recht
Ausgabe November 2024
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Sole, die Mischung aus Wasser und Salz, erweist sich als besonders effektiv, wenn es darum geht, Glättebildung zu reduzieren und dementsprechend für mehr Sicherheit auf Straßen und Wegen zu sorgen. Aber wie offen stehen Objektbetreuer, die sich gerne auf Altbewährtes verlassen, diesem Thema gegenüber?
„Zugegeben: Eine der größten Herausforderungen ist es, Hausmeistern, die ‚schon immer‘ Salz nutzen, die Ängste zu nehmen“, sagt Marco-André Fürst, Geschäftsführer von „Der Schneefürst“. „Wer auf Sole umstellen möchte, muss seine internen Abläufe umstellen. Zudem ist die Erstanschaffung des nötigen Equipments – vor allem dann, wenn man Sole selbst herstellen möchte – mit deutlichen Kosten verbunden. Die Investition lohnt sich aber langfristig definitiv.“ Und tatsächlich: Bei genauer Hinsicht zeigt sich, dass Sole viele Vorteile bietet. Jedoch nur dann, wenn sie richtig genutzt wird.
Sole-Vorteile
Bei Sole handelt es sich um eine Lösung mit einem Salzgehalt von 23,8 %, die in dieser Form bis zu einem Gefrierpunkt von – 21 °C optimal arbeitet. „Wenn die Temperaturen noch tiefer sinken, kommt aber auch Salz an seine Grenzen“, so Marco-André Fürst. Die Vorteile des Wasser-Salz-Gemisches liegen u. a. in überzeugender Ergiebigkeit, seiner Nachhaltigkeit, einem sauberen Ausbringen (die leichten Salzreste, die zurückbleiben, lassen sich einfach abwaschen), der Möglichkeit, Flächen bereits vor dem Schneien vorzubereiten und einer verbesserten Verkehrssicherheit, da Straßen und Wege schneller von Eis und Schnee befreit werden.
„Wer als Hausmeister morgens weniger Stress haben möchte, schaut abends den Wetterbericht. Wenn es schneien soll, bringe ich die Sole schon am Vorabend aus. Und selbst wenn es dann zu keinem Niederschlag kommt, ist der Untergrund über ein bis zwei Wochen auf den Schnee vorbereitet“, sagt Fürst. „Zudem muss sich unter dem Einsatz von Sole niemand über Salzkörner auf dem Gehweg, im Flur oder im Eingangsbereich im Supermarkt ärgern.“
Wie im Zusammenhang mit anderen Streumitteln, gilt es jedoch auch bei Sole einige Details zu beachten. Hier kann es nicht schaden, sich – zumindest ein wenig – für Physik begeistern zu können.
Ein typisches Beispiel: Wird Sole in einem Bereich verwendet, der von überfrierender Nässe betroffen ist, entsteht aufgrund der Feuchtigkeit ein neues Mischverhältnis, das vom Idealwert der 23,8 % abweicht und somit lediglich einen geringeren Gefrierpunkt abdeckt. Dementsprechend wäre es in diesem Fall wichtig, nachzuarbeiten und gleichzeitig zu berücksichtigen, dass „mehr“ nicht immer „besser“ ist. „Wird die Konzentration von 23,8 % überschritten, verringert sich der Gefrierpunkt schlagartig, indem er immer weiter sinkt.“ Und genau das gilt es natürlich, zu vermeiden“, erklärt Fürst.
Sole ausbringen
Sicherlich ist es u. a. der großen Nachfrage geschuldet, dass es mittlerweile viele Möglichkeiten gibt, Sole auszubringen. Wichtig ist es natürlich, diese an den jeweiligen Einsatzbereich anzupassen.
„Wird die Konzentration von 23,8 % überschritten, verringert sich der Gefrierpunkt schlagartig, indem er immer weiter sinkt. Und genau das gilt es natürlich, zu vermeiden.“
Ein typisches Beispiel: Für ein Unternehmen, das Sole auf einer Autobahn ausbringt, spielen andere Gerätschaften eine Rolle als für einen Hausmeister, der die Umgebung um eine Schule absichert. Für letztgenannten Fall eignen sich u. a. kleinere Trägerfahrzeuge und Geräte, die mit Sprühbalken ausgestattet wurden und komfortabel von A nach B geschoben werden können. Um Sole auf Treppenstufen auszubringen, reicht ein Handsprühgerät aus.
Sole selbst herstellen
Sie möchten Ihre eigene Sole herstellen? Hierzu braucht es nicht nur das passende Mischverhältnis, sondern auch das richtige Equipment. Soleaufbereitungsanlagen werden heutzutage von vielen verschiedenen Herstellern in unterschiedlichen Formen und Größen angeboten.
Wie viel Fassungsvermögen Sie benötigen, ist natürlich von Ihrem Einsatzbereich und Ihren individuellen Erwartungen abhängig. Besonders praktisch: Sole, die einmal hergestellt wurde, lässt sich ganz einfach einlagern und zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Dementsprechend stellt es kein Problem dar, sie auf Vorrat herzustellen.
Sole hat im Winterdienst ein breites Anwendungsspektrum. Grundlegend kann man Sole wie reguläre Streumittel als Auftaumittel nutzen, wenn bereits eine Eisbildung stattgefunden hat. Eine andere ist die prophylaktische Ausbringung, also die Behandlung der Flächen, bevor das Glätteereignis auftritt. Dies führt dazu, dass in den meisten Fällen, die Eisbildung komplett vermieden werden kann. Der Winterdienst verlagert sich damit vom regulären reaktionären Vorgehen zum aktiven Management.
Vorteile reiner Sole: 1. Sole benötigt für die Wirkung keine von außen zugeführte oder bereits vorhandene Feuchtigkeit (Schnee, Eis) und ist sofort wirksam. 2. Sole wirkt schnell und benötigt kein mechanisches Zerreiben etc. wie konventionelles Trockensalz, was einerseits die deutlich schnellere Wirkung und andererseits eine geringere Salzdosierung ermöglicht. 3. Die Kraftanstrengung beim Befüllen des Streugeräts ist deutlich reduziert, da die Hauptarbeit von Pumpen erledigt wird. 4. Sole ermöglicht eine Salzeinsparung bis zu 70 % im Vergleich zu Trockensalz und ist damit ökologisch kurzfristig als auch wirtschaftlich langfristig die bessere Alternative. |
Vorteile Vorbefeuchtung: Wird Sole zur Vorbefeuchtung von Trockensalz verwendet (geschieht aber erst beim Ausbringen entweder bei der Förderung durch die Schütte oder direkt auf der Schütte [je nach Streuergröße]), ergeben sich folgende Vorteile: 1. Die Salzkörner bringen bereits die Feuchtigkeit mit, um zerfließen zu können, was zu einer schnelleren Wirkung führt. 2. Durch die Vorbefeuchtung ist das Feuchtsalz nicht so anfällig für Verwehungen wie Trockensalz. 3. Die Verwendung von Feuchtsalz 30 (also Verhältnis 70:30 von Trockensalz zu Sole) führt zu einer Salzeinsparung von 30 %. |
Einsatz von Ameisensäure
Auch Ameisensäure hat es im Laufe der letzten Jahre geschafft, für viele Hausmeister eine wichtige Rolle im Winterdienst einzunehmen. Allerdings unterscheidet sich ihre Wirkungsweise komplett von der Wirkung von Sole.
Die Flüssigkeit ist dazu in der Lage, Temperaturdifferenzen zu überbrücken und auf molekularer Ebene mit Wasser zu interagieren. Und genau das verhindert, dass sich Eis bildet, bzw. sorgt dafür, dass es sich löst.
Hinzu kommt: Über den Einsatz von Ameisensäure ist es möglich, den Bedarf an aggressiven Chemikalien zu mindern und somit die Umweltbelastung spürbar zu senken. Gleichzeitig gilt es, beim Umgang mit Ameisensäure einige Sicherheitsaspekte zu beachten und entsprechende Schutzausrüstung zu verwenden.
Wann lohnt sich dieses Streumittel besonders?
Wer an Ameisensäure im Winterdienst denkt, denkt oft an einen ihrer klassischsten Einsatzbereiche: den Flughafen. Hier wird die Flüssigkeit u. a. dazu genutzt, um Eisschichten zu entfernen und frisch gefallenen Schnee von der Startbahn zu entfernen. Je nachdem, wie hoch die Säure konzentriert ist, ist sie sogar dazu in der Lage, bei Temperaturen von bis zu – 50 °C zu enteisen.
Neben dem Flughafen als typischem Einsatzbereich spielt die Ameisensäure mittlerweile auch für viele Hausmeister eine wichtige Rolle, wenn es darum geht
- empfindliche Oberflächen von Eis und Schnee zu befreien,
- Naturschutzgebiete möglichst eisfrei zu halten,
- hohe Anforderungen in Bezug auf den Umweltschutz zu erfüllen sowie
- Areale aus Metall zu behandeln.
So wird Ameisensäure ausgebracht:
Im Gegensatz zur Sole kann Ameisensäure als Streumittel nicht selbst hergestellt werden. Produkte, die Ameisensäure enthalten, stehen sowohl in flüssiger Form als auch in Granulat-Form zur Auswahl. Erhältlich sind sie z. B. von der Firma Viaform. Bei Ihrer Kaufentscheidung sollten Sie auf die Qualität der Produkte achten und sicherstellen, dass diese auch wirklich zum jeweiligen Einsatzbereich passen.
Vor- und Nachteile von Ameisensäure
Im Gegensatz zu vielen anderen Produkten ist Ameisensäure biologisch abbaubar. Das bedeutet u. a., dass die Mittel keine schädlichen Rückstände hinterlassen. Aufgrund der unterschiedlichen Dosierungsmöglichkeiten können Sie die entsprechenden Produkte auch unter extremen Bedingungen zuverlässig nutzen.
Und: So effizient Ameisensäure ist, wenn es darum geht, Schnee und Eis zu lösen, so schonend sind die Mittel zu den Untergründen, auf denen sie aufgebracht werden. Da Ameisensäure ohne aggressive Chemikalien auskommt, werden die Materialien nicht geschädigt.
„ Sole-Technologie sorgt für eine Salzersparnis von 30 bis 75 % und ist das umweltfreundlichste Enteisungssystem, das auf dem Markt ist.“
Beim Einsatz muss Schutzkleidung getragen werden. Immerhin handelt es sich hierbei um eine ätzende Flüssigkeit, die von den Tieren in der Natur zur Verteidigung genutzt wird. (Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Ameisensäure heutzutage nicht mehr aus toten Ameisen isoliert wird. Stattdessen kommt hier ein synthetisches Verfahren zum Einsatz.)
Und welches der beiden Mittel eignet sich nun besser für den Winterdienst?
Sole empfiehlt sich, wenn Areale bereits vor dem ersten Schnee prophylaktisch behandelt werden sollen, Wert auf weitestgehend rückstandsfreie Areale gelegt wird, höhere Anschaffungskosten in Ordnung sind und keine Schutzkleidung getragen werden soll.
Ameisensäure zeigt seine Vorteile vor allem bei besonders niedrigen Temperaturen und empfindlichen Oberflächen. Beide Optionen haben – trotz der jeweiligen Unterschiede – auch einiges gemeinsam. So erweisen Sie sich als deutlich umweltfreundlicher als Salz und eignen sich daher ideal für alle Hausmeister und Hausmeisterdienste, die für sich beschlossen haben, ihren ökologischen Fußabdruck etwas zu verkleinern.
ACHTUNG! Der Kontakt mit der Säure kann Atemwege und Augen reizen. Eine Konzentration von über 10 %, führt zu Verätzungen. Bewahren Sie die Mittel immer an einem gut belüfteten Ort auf, die Behälter, müssen eine Druckausgleichverschraubung vorweisen. Tragen Sie beim Ausbringen unbedingt Handschuhe und eine Schutzbrille. Atmen Sie die ausgehenden Dämpfe niemals ein!
Die Autorin
Cornelia Wilhelm ist freiberufliche Texterin aus Düsseldorf. Ihr Schwerpunkt liegt u. a. auf Handwerks- Fachthemen.